Leitfrage der Ethik: Was soll ich tun?

Ethik ist ein Zweig der Philosophie. Immanuel Kant hat ihr diese Leitfrage vorangestellt. Sie enthält zwei wichtige Worte:

  • tun: Ethik ist eine Handlungswissenschaft. Sie befasst sich nicht ausschließlich mit Handlungen, sondern etwa auch mit Zuständen, angenehmen oder unangenehmen, denen wir Werte zuweisen. Aber der Job des Ethikers ist erst getan, wenn klar ist, welche Handlungen zu den gewünschten Werten führen.

    Beispiel: Es sagt sich leicht, dass ein Informatiksystem niemanden diskriminieren soll. Aber was müssen Betreiber und Entwickler tun, um den unerwünschten Zustand der Diskriminierung zu vermeiden?

  • ich: Es genügt nicht, zu hoffen, dass irgendwer, dass "man" die richtigen Handlungen ausführt. Menschen habe unterschiedliche Rollen, mit denen jeweils bestimmte Verantwortung verbunden ist. Eine gute Handlungsvorschrift benennt die Rolle und spricht damit diejenigen Akteure an, die für die Handlung verantwortlich sind.

    Beispiel: Der Entwickler darf, um Diskriminierung zu vermeiden, das System nicht mit Daten trainieren, die Diskriminierung enthalten könnten, etwa mit früheren menschlichen Entscheidungen. Der Betreiber muss das System daraufhin testen, ob es bestimmte Menschengruppen ohne Grund benachteiligt.

Informatikethik ist ein Zweig der Angewandten Ethik

Ethik gliedert sich in Allgemeine und Angewandte Ethik. Allgemeine Ethik ist losgelöst von einem bestimmten Anwendungsgebiet und betrachtet z.B. unterschiedliche Methoden, Moralurteile zu formulieren und zu begründen. Angewandte Ethik gliedert sich in Bereichsethiken je nach Anwendungsgebiet, etwa Medizinethik, Wirtschafts- Technik- oder Medienethik. Informatikethik ist eine solche Bereichsethik. Sie befasst sich mit ethischen Fragen, die durch den Einsatz von Informatiksystemen in diversen Handlungsfeldern entstehen.

Der Begriff "Informatikethik" ist ungewöhnlich, woher kommt er?

Als ich mit der Arbeit an dem Thema begann, nahm ich mir andere Bereichsethiken als Vorbild. Wie soeben dargestellt, werden diese meist in einem Wort benannt: Bezeichnung eines Handlungsfeldes, z.B. Medizin oder Wirtschaft, verbunden mit dem Wort "ethik". Also war es für mich selbstverständlich, dieser lange geübten Tradition zu folgen.

Andere verwenden den Begriff "digitale Ethik". Er ist sprachlich verunglückt, denn Ethik ist nicht digital. Die Begriffe Computer- oder Maschinenethik legen nahe, dass Maschinen moralisch handeln können, was mancherorts behauptet wird, aber in die Irre führt. Sie sind darüber hinaus zu eng gefasst, denn der Computer selbst ist ethisch ziemlich uninteressant im Gegensatz zu der auf ihm ablaufenden Software und dem, was Menschen aus ihren Ergebnissen machen.

Ethische Methoden

Eine zentrale Stellung bei meiner Arbeit nimmt konsequentialistische Ethik ein. Sie fordert dazu auf, alle von den Folgen einer Handlung betroffenen Menschen, genauer deren Rollen, zu betrachten und je Rolle die durch die Handlung eintretenden Folgen zu benennen. Diese Folgen werden sodann bewertet, erwünschte Folgen positiv, unverwünschte negativ. Von zwei Handlungen ist diejenige zu bevorzugen, die den besten Gesamtwert hat.

Konsequentialistische Ethik stößt auch auf Kritik. Ein häufiger Einwand lautet, dass sie zu materialistischem Denken anregt. Er lässt sich entkräften, indem man auch einen Fokus auf Menschenrechte legt. Auch sie sind Werte, und zwar solche, die im allgemeinen höher wiegen als Werte ohne Menschenrechtscharakter. Ein weiterer Einwand lautet, konsequentialistische Ethik sei gleichbedeutend mit dem gefühlskalten Motto "Der Zweck heiligt die Mittel". Dies ist jedoch ein Missverständnis, denn es wird nicht nur eine Folge, eben der vom Akteur beabsichtigte Zweck, betrachtet, sondern möglichst alle Folgen für alle von einer Handlung Betroffenen, auch für diejenigen, die dem Akteur egal sind.

Die einfachste Form der Ethik ist Pflichtethik. Ihr entstammen die Regeln, die uns schon als Kinder beigebracht werden: Du musst die Wahrheit sagen, du darfst keine Gewalt anwenden. Zur moralischen Bewertung von Handlungen mit einem komplexen Geflecht von Folgen ist sie meist zu starr. Wenn man jedoch Glück hat, können aus einer sorgfältigen Betrachtung von Handlungsfolgen und ihren Werten pflichtethische Handlungsurteile entstehen, die wesentlich leichter anwendbar sind als konsequentialistische. Das sehen wir etwa in der Umweltethik, wo aus der Betrachtung der Folgen bestimmter Folgen der Abfallentsorgung leicht umsetzbare pflichtethische Regeln entstanden sind, welches Material wir in welche Tonne werfen sollen.